ALI oder WIEDER DA

Die Flaggen! Siedenheiss schoss mir das Blut in den Kopf. Gerade hatte mein Mann mir eine Kurznachricht geschickt. Weisst Du, wo der blaue Sack mit den Flaggen ist? Ich finde ihn nicht. Etwas später dann: Du hast sie doch nicht etwa entsorgt ??? Genau das hatte ich wohl getan, das war mir ziemlich schnell klar. In meinem Aufräum-Anfall am Sonntag abend, gemeinsam mit meiner Tochter. Und genauso schnell war ich sicher, ich würde sie wiederbekommen. Meine Zuversicht. Ich dachte an die Geschichte mit dem Personalausweis, der zu Testzwecken in einem Portemonnaie in einem Laden auf Mallorca landete – und als wir dort hineinhingen, landeten wir gleich beim ersten Geldbörse einen Volltreffer.

Wieder da.

Oder mein iPAD, bei der Kontrolle in den grauen Kasten gelegt und nicht wieder in den Rucksack zurückgepackt. Auch da, sofort klar, auch da, sofort die Gewissheit, ich würde es einige Augenblicke später wieder in der Hand haben.

Wieder da.

Ah ja, da kommt noch eine Erinnerung, wie ein guter Freund – nun gehts ans Eingemachte. ER, kurz mal weg. Hier gefällts mir nicht mehr, und Tschüss. Jule hat jetzt einen Freund! Deshalb müssen wir da hin. HA HA HA. Mir war „damals“ nicht zum Lachen. Dann meine unendliche Zuversicht, gepaart mit Angst und Panik. Dann meine Initiative. Aus Verzweiflung. Hoffnung. Das Treffen. Die Rückkehr am nächsten Tag.

Wieder da!

Welch ein unfassbares Glück!

Aber zurück zu den Flaggen, die bisher immer abwechselnd unseren schönen rot-weissen original dänischen Holzmast zierten. Nachdem ich mir schnell aus dem Internet die Nummer des DRK herausgesucht hatte, griff ich zum Hörer und rief dort an. Panisch schilderte ich meine Befürchtung und auch Hoffnung, dass ich wohl einen blauen Sack in den Container geworfen hatte, wo Dinge drin waren, die nicht hineinsollten, ob er wohl noch im Container sei? Die nette Frau sagte, sie würde dort anrufen und mich gleich zurückrufen. Sehr kurz darauf rief tatsächlich eine zweite Dame zurück und konnte mir schon mal sagen, dass der Container wohl noch nicht geleeert worden sei. Das passiere immer Mittwochs- und heute war erst Dienstag. Sie sagte, Ali sei dafür zuständig. Er hiesse wirklich so, ergänzte sie, als habe ich Zweifel angemeldet. Ich gebe Ihnen mal seine Nummer. Ich rief an, mailbox. Ich sprach mein Anliegen darauf. Kurz darauf verlies ich das Büro. Als ich beim Auto stand, dachte ich, er wird jetzt gleich anrufen. Eine Minute später meldete sich die Mobilbox. Er hatte bereits angerufen. Ich rief zurück und erreichte ihn, erzählte meine Sorgen, wir überlegten, wann und wo wir uns treffen, gleich oder morgen? Am liebsten natürlich gleich, ich wollte unbedingt MIT den Flaggen nach Hause kommen und nicht ohne. Ich hörte schon die Diskussionen und Zweifel, auch wenn sicher war, der Sack ist noch im Container. Darauf hatte ich keine Lust. Er müsse jetzt nach Pinneberg zum Bahnhof, sagte Ali. Ich sagte, in einer halbe Stunde könne ich da sein. OK. Ich kam erstaunlicherweise sehr gut durch, sonst ist um diese Zeit immer dichter Feierabendverkehr und ich brauche ungefähr 30-40 Minuten. In 20 Minuten war ich am Ziel, Ali, ein ca. 50jähriger Libanese, seit fast 30 Jahren in Deutschland, fuhr mit mir zum Container und schloss ihn auf. Der Sack war sofort erkennbar, und nachdem ich die Altkleider oben herausgenommen hatte, wurden die Flaggen sichtbar!

Wieder da! Ich war glücklich und erleichtert!

Und das ganz besondere war, diesen netten Menschen dadurch kennen gelernt zu haben. Schon auf der kurzen Fahrt zum Container berichtete er mir von vielen ähnlichen Fällen.

Von dem Mann, der Kleidung seiner verstorbenen Frau gebracht hatte. Ali hatte zwei wertvolle Broschen gefunden, eine mit einem Diamanten. Er hatte den Mann angerufen und der hat seinen Besitz wiederbekommen und vor Glück geweint. Eine Brosche war ein altes Erbstück. Dann habe er ihm noch im Altenheim geholfen!

Ein anderes Mal, eine Frau, hatte zwei Säcke verwechselt und die Maßanzüge ihres Mannes in den Container geworfen. In diesem Fall war der schon ausgeleert… Sie fuhren zur Sammelstelle und sie wurde fündig.

Dann gab es noch weitere Fälle, Papiere, Schlüssel und vieles mehr. Ich war weiss Gott kein Einzelfall!

Ich fragte, wie immer, was er denn sonst so mache. Er ist Goldschmied. Nimmt auch Gold und Schmuck in Zahlung. Erzählte davon, wie manche deer Goldkäufer mit Kunden umgehen… Und er handelt mit Autos. Durch seine Erzählungen hatte ich sofort grenzenloses Vertrauen. Wenn ich nochmal Schmuck verkaufen würde, nur bei ihm!Ich wollte eine Flasche Sekt hinbringen, wenn dort beim DRK Besprechung war oder Kaffee und Kuchen. Nein, das sei alles nicht nötig, wehrte er ab, es sei alles ok. Er sei froh, dass er mir helfen konnte.

Eine unheimliche nette Begegnung – und er hat mir grandios aus der Patsche geholfen.

Danke, Ali! Du bist ein echter Menschenfreund.

Dann war da noch… dieser Morgen in Wellington, unser letzter Tag in Neuseeland. Mein Mann fragt, ob ich den Chip gesehen habe it dem Film von der Südinsel. Als wir zwischendurch hier waren hatte er ihn in die Seitentasche des Koffers getan. Er war ganz sicher. Ich überlege hin und her, sortiere meine Sachen um. Ich sage, er kann nicht weg sein und lasse zum wiederholten Male Revue passieren, was mit dem Koffer inzwischen geschehen war. Ich hatte ein paar Sachen herausgenommen, um den Koffer mit hinunter zu Strasse zu nehmen und dort in unserem Camper auszupacken. Er kann nicht weg sein!
Die Stimmung ist gedrückt. Wir haben wohl beide nicht wirklich Lust auf die Stadtbesichtigung und das TE Papa Museum. Ich gehe nochmal ins Schlafzimmer. Er kann nicht weg sein. Mein Blick fällt auf die Hundetüten auf dem Tisch. Wolfgang hatte sie in der Tasche und dann im Koffer. Er hat immer welche in der Tasche, also auch hier, obwohl der Hund doch zuhause ist. Eine der Tüten sieht mir gebraucht aus. Ich schaue hinein. Und da ist er, unser Südinsel Film. Ich halte ihn meinem Schatz unter die Nase und sage, und was ist das? Glücklich fallen wir uns in die Arme.

Wieder da!

Nun haben wir auch Lust auf das berühmte Museum. Als Belohnung gibt es erstmal einen schönen Cappucino im berühmten Aro Cafe.

Seit einigen Tagen fehlt mir das Kabel für meine Kompaktkamera, um die Fotos auf den Rechner zu überspielen. Ich räume im Camper einiges hin und her, suche unter den Sitzen, zwischen den Klamotten. Nichts. Ich kann es mir nicht erklären. Wann habe ich das Kabel zuletzt benutzt? Das war doch unterwegs! Oder in Wellington? ich schaue auf die Daten im Netbook. Doch, es muss unterwegs gewesen sein. Aber es bleibt verschwunden. Eine Woche nach unserer Rückkehr telefoniere ich mit Markus in Wellington. Wir erzählen dies und das und wollen schon fast auflegen, da sagt er, ach, übrigens, wir haben hier ein Kabel gefunden. Er beschreibt es und ja, das muss es sein. Also doch in Wellington vergessen.

Wieder da!

Nur die schwarze Badehose mit den orangen Streifen bleibt verschwunden. Egal, wir machen ja sowieso meist FKK, jedenfalls an der Nordsee!

27.12.2012
02.03.2013

 

 

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