Wann wirst Du aufhören, immer mehr vom Leben zu wollen? Dieser Satz war ihr kürzlich begegnet und sie fühlte sich ertappt. Sie wollte mehr vom Leben, immer mehr. Zufrieden, wirklich zufrieden war sie nur selten. Die Augenblicke wirklichen Glücks kannte sie schon, aber meist war sie auf der Fährte neuer Erlebnisse, Highlights, auf der Suche nach dem Kick. Ihre Freundin hatte es ihr vor einiger Zeit vorgeworfen. Immer den Kick und high energy suchen- und meist sogar finden- war das gut? Was ist gut? Was ist richtig, was falsch? Es liegt doch immer im Auge des Betrachters. Klar, sie suchte auch nach Ausgeglichenheit und Ruhe, wenn das Pendel zu sehr ausschlug- doch sie konnte eine ganze Portion Schwung ertragen, mehr, sie genpß den Schwung des Pendels, je höher, je lieber.
Am vergangenen Wochenende konnte sie es üben. Mal weniger wollen. Sie hatte sich bewusst vorgenommen, auch nachzugeben. Nicht unbedingt ihren Willen durchsetzen zu müssen. Dem Nachgeben etwas Gutes abgewinnen. Es hatte was. Nicht essen gehen, sondern gemütlich zuhause bleiben. Nicht in die Kneipe, sondern am Kamin sitzen bei einem Glas Wein, in Ruhe reden und zwischendurch Pausen, die lodernden Flammen beobachten, wie sie Stück für Stück das Holz eroberten. Und es war sehr wohl eine schöne Zeit. Die zusammen geräumten Borkenstücke und Holzreste den Garaus machen. Sie hatten viel geschafft heute, mental und auch real. Aufräumen, schrauben und bohren, montieren. Und eine knapp dreistündige Besprechung inklusive Besichtigung der noch zu erledigenden Reparaturen und Veränderungen. Dies ist eine Klausurtagung, verkündete sie , genau, der Begriff passte. Am Ende war Einiges klarer. Nur als es um die Gefahr brennender Kerzen ging, gab es eine kurze Unstimmigkeit.
Insgesamt eine gute Mischung aus Arbeit und Freizeit. Sogar eine kombinierte Rad- Fußwanderung war Teil des Programms. Vor der Besprechung. So zwei Stunden. Erst gegen den Wind, nicht so einfach im weichen tiefen Sand. Männer vor, Frauen abfallend dahinter. Sie gab auf, die beiden einholen zu wollen, dann sollten sie doch vorgehen. Auch dass ein Nachgeben. Sie würde schon nichts verpassen – und sie könnten sich jederzeit auch sonst ohne sie allein unterhalten. Sie konnte es doch sowieso nicht verhindern. Bestimmt war es auch gut, nicht alles zu wissen und zu hören. Manches erledigte sich so wahrscheinlich von selbst. Nach der Wanderung gings ins Cafe, in schönstem Sonnenschein einen Cappuccino geniessen und die obligatorische Friesentorte beziehungsweise ein Eis. Alte Zeiten streifen. An was erinnert Ihr Euch? Eine gemeinsame Biografie, das wäre was!
Am nächsten Tag ein gemütlivhes Frühstück, dann noch zwei Stunden Arbeit. Statt dessen hätten wir uns auch noch eine Stunde zusammen setzen können- aber da siegte der typische familiäre Leistungsgedanke. Wir haben ordentlich was geschafft! Ein Standardsatz. Klar, man freut sich an den „Produkten“ . Aber Muße ist auch wichtig.
Sogar in dieser Familie!